21.06. - 01.07.2012 Odyssee durch Istanbul

 

Sonja:

Aleks hatte außer uns noch weitere Gäste, ein sehr nettes Paar, Alex und Jimena, aus Costa Rica und den USA (Blog, Fotos, Selbstgetöpfertes), die eine achtmonatige Weltreise per Flugzeug machen. Wir wurden von ihnen natürlich gleich mit einer Touristenkarte ausgestattet und über sämtliche Sehenswürdigkeiten aufgeklärt. Während unseres Aufenthalts haben wir uns dann selbstverständlich auch einiges angesehen, was auf dem Pflichtprogramm eines jeden Touristen hier steht: Blaue Moschee, Hagia Sophia, diverse Bazaare, Basilika Zisterne, Hamam und Prinzeninseln. Aber es stand auch viel Arbeit und Organisatorisches auf dem Plan. Die Räder kamen in die Werkstatt, um Ollis knarzendes Lager und andere kleine Wehwehchen zu versorgen und an der Ausrüstung wurde gefeilt, ergänzt und erneuert. Ein riesengroßes Dankeschön an dieser Stelle an SQlab, dem Hersteller unserer Sättel. Nach dieser Extrembelastung über mehrere tausend Kilometer jetzt und auch schon bei früheren Touren waren mittlerweile Schäden am Material aufgetreten, weshalb sich die Firma sofort bereit erklärt hat, uns über unseren Support Thomas in Deutschland gratis neue Sättel zu schicken. Das nenne ich mal einen hervorragenden Kundenservice!

Für die Weiterreise in den Iran habe ich mir auf dem Bazaar eine Tunika besorgt, wo ich knallhart mit dem Händler über den Preis gefeilscht habe. Im Iran ist es für Frauen nämlich Pflicht, ein Oberteil mit langen Ärmeln und ohne Ausschnitt zu tragen, das bis zur Mitte der Oberschenkel reicht bzw. zumindest über den Hintern, also alle weiblichen Kurven verhüllt, inklusive Kopftuch und langer Hose natürlich. Einen kleinen Dämpfer haben wir dann allerdings erhalten, als wir uns in der iranischen Botschaft nach Visa für den Iran erkundigten. Uns wurde recht abweisend erklärt, dass wir hierfür eine sog. Referenznummer bräuchten, die es nur über eine teure Agentur oder von Freunden oder Verwandten aus dem Iran gibt, was natürlich alles mehrere Wochen Bearbeitung dauert. Auch bei Anfrage in der Deutschen Botschaft konnte uns keiner weiter helfen. Zum Glück sind uns Jens und Sabine ja ein paar Wochen voraus und konnten uns in einem Telefonat beruhigen, da sie ihr Visum erfolgreich in Trabzon innerhalb eines Tages beantragen konnten. Dies ist nun auch unser Plan. Ein kleiner Werbeblock an dieser Stelle: Vor der iranischen Botschaft haben wir 2 andere Deutsche Radler kennengelernt, die zu einer Gruppe von insgesamt vier Berlinern gehören, die nach Indien radeln, um für einen guten Zweck zu sammeln. Hier geht’s zu ihrer Homepage.

Olli:

Für mich bedeuten große Städte meistens Stress, da es immer irgendwas zu organisieren gibt. Was mir an Istanbul aber sehr gut gefällt, ist die Tatsache, dass hier mehrere Religionen nebeneinander existieren und sich nicht gegenseitig auf die Nerven gehen. Anders als bei uns daheim in Bayern, wo schon ein Kreuz an der Wand oder eine Lehrerin mit Kopftuch eine Massenhysterie auslösen können. Auch gefallen mir hier die Möwen, besonders morgens, wenn sie mich mit Ihrem „Gegacker“ wecken. Klingt immer, wie ne alte Fahrradhupe. Auch wenn hier alles noch chaotischer abläuft als in deutschen Großstädten, geht hier alles auch irgendwie seinen Gang. Besonders nerven hier allerdings irgendwelche Händler, die versuchen, einen mit „Hello my brother“ oder „hello my friend“ in Ihre Läden zu ziehen. Geht mir das auf die Eier. Aber einfach nicht drauf reagieren und Augenkontakt vermeiden, dann lassen die einen auch in Ruhe.

Highlight war ein Ausflug zu den Prinzeninseln, die ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen und Türken aus Istanbul sind. Laut unseres Reiseführers, den wir in der Touristeninformation erhalten hatten, kann man auf der letzten – es sind insgesamt 5 -  und größten Insel so richtig die Seele baumeln lassen und der Großstadthektik entfliehen, da keine Autos, sondern nur Pferdekutschen und Fahrräder fahren dürfen und die Natur weitestgehend unberührt sein soll. Ich hätte es aber ahnen müssen. Als wir ankamen, war es alles andere als ruhig. Überall wieder aufdringliche Händler und du musst total aufpassen, nicht von einer Kutsche oder einem Fahrrad überrollt zu werden. Mit der unberührten Natur meinten die wahrscheinlich nicht den Müll, der sich hier bergeweise am Straßenrand befindet. Unberührte Natur vielleicht auch deswegen, weil der Müll ja geworfen wird und man die Vegetation nicht wortwörtlich berührt ... hahaha. Wir wollten dann auch so eine Kutschenfahrt machen, um ungefährlicher und schneller raus aus dem Trubel zu kommen. Nach der Frage, wieviel es kostet, hieß es zuerst 16 Lire, bei Beendigung der Fahrt wurden dann plötzlich 60 draus. Hat sich der Fahrer da absichtlich versprochen bzw. undeutlich ausgedrückt? Deswegen hasse ich Massentourismus ;)

Ein weiteres abenteuerliches Erlebnis hatten wir mit unserem Ersatzteilpaket aus Deutschland. Wir hatten als Adresse das Hauptpostamt von Istanbul angegeben. Das Problem daran ist aber, dass es nicht nur 1 großes Postamt in Istanbul gibt. Wir waren bestimmt 5x im Hauptpostamt und jedes mal bekam ich zur Antwort, dass man uns hier nicht helfen könne und wir sollen morgen wieder kommen. Oh, wie mich das an meinen Job als Altenpfleger in Deutschland erinnert hat. Hirneinschalten verboten. Ich hab auch nicht verstanden, warum die Schalterdame, wenn sie sich schon nicht auskennt, nicht irgendeinen Kollegen zu Hilfe holt. Jedenfalls hatten wir schließlich an einem anderen Schalter Glück, einen Mitarbeiter zu finden, der uns weitergeholfen hat. Seine Frau arbeitet in einer internationalen Poststation und hat dann erst mal die Paketnummer bzw. Trackingnummer für uns herausgefunden, da diese nicht mit unserer DHL-Nummer übereinstimmt, sondern beim Übertritt der Grenze geändert wird. Dann wurde der Postbeamte endlich fündig und hat uns die Adresse des anderen Postamts gegeben, wo das Paket lagerte. Endlich mal jemand der uns hilft ;). Die Zigarette, die er uns als Entschädigung angeboten hat, haben wir dankend abgelehnt. Nach einer 1,5 stündigen Fahrt mit der Metro plus Fußmarsch haben wir schließlich das andere Postamt erreicht. Nun gings erst richtig los. Kennt ihr zufällig den Film mit Asterix und Obelix, als sie den Auftrag hatten, den Passierschein A38 in dem Haus, das verrückt macht, zu bekommen? ;) . Erst mal vom Haupteingang ums Gebäude rum zum Hintereingang, dann zu Schalter 4, dann zu 3, dann an einen Schreibtisch ohne Nummer, dann zu 1, 2 und 3. An zwei Stellen mussten wir Geld zahlen für Bearbeitung und Lagerung und unser Paket wurde außerdem geöffnet, um es auf Alkohol und Drogen zu überprüfen. Gut, dass wir hier eine junge Türkin getroffen haben, die perfekt Deutsch konnte, und uns die ganze Prozedur übersetzt hat. Nach gut 7 Stunden waren wir völlig geschafft von der türkischen Bürokratie, die nach dem Chaosprinzip arbeitet, wieder in Aleks Wohnung, glücklich darüber, unsere neuen Sättel in den Händen zu halten. Der einstimmige Kommentar von Aleks und unserem Lebensmittelhändler an der Ecke zu unserer kleinen Odyssee: Willkommen in der Türkei. Hier ist das normal.

 

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