02. –  16.07.2012 Istanbul - Tuz Gölü 581 km

 

Olli:

Wir haben schließlich noch eine weitere Woche mit Warten auf unsere Räder in Istanbul verbracht. Die Zeit haben wir aber nicht nur auf der faulen Haut verbracht, nene, wir haben uns in der Zwischenzeit mit Claudia, einer anderen deutschen Couchsurferin, zum Çay-Trinken (Tee) getroffen und unsere weitere Route geplant und ausgetüftelt.

Als wir dann endlich unsere Räder wieder hatten, war die Freude groß. Über 2 Wochen ohne sie waren schon hart, und wir haben sie sehr vermisst. Gursel, der Fahrradmechaniker und Chef von Yeşil Bisiklet, hatte allerdings nur mein Lager in der Gabel gewechselt und nicht das knarzende Trettlager … arrrrrr!!!! Er hat mir aber versichert, dass er alles geprüft hat und nichts finden konnte. Mal schaun, ob das so gut war. Wenigstens konnte ich mich über neue Pedale, eine neue, stabilere Felge hinten und unsere neuen Sättel freuen ;)

Unseren letzten Tag in Istanbul  haben wir dann zusammen mit Aleks verbracht. Er hat uns ein wenig von der asiatischen Seite gezeigt, wir sind gemeinsam zu einem Kuaför (Friseur) gegangen und haben uns mit Eis aus Ziegenmilch (Ich hab noch nie so geiles Eis gefuttert.), Baklava und Çig Köfte verköstigt. Am Abend dann die Überraschung: Wir durften auf Aleks Segelboot schlafen. Ein ganz neues Erlebnis für uns beide.

Am nächsten Morgen hat uns Aleks zur Fähre gebracht, die uns übers Marmara Meer nach Yalova bringen sollte. Erst jetzt wurde uns so richtig bewusst, wie sehr wir ihn in unser Herz geschlossen hatten und der Abschied viel uns recht schwer. Wenn mich heute jemand fragen würde, was für mich der positivste Eindruck von Istanbul gewesen ist, wäre für mich die Antwort: Aleks.

Sonja:

Die nächsten Tage wieder auf Achse waren nicht ganz einfach. Nach fast drei Wochen Pause haben sich unsere Muskeln angefühlt wie Pudding. Die ersten Tage waren zwar heiß, aber nur leicht hügelig, so dass wir uns langsam wieder aklimatisieren konnten. Es stand uns eine sehr anstrengende Woche mit mehreren fiesen Pässen über 1000 m bevor bei bis zu 45°C in der Sonne, die wir auf einer recht einsamen und ruhigen Straße durch viele kleine Dörfer gemeistert haben. Trotz Hitze und ständigem Bergauffahren konnten wir aber eine Menge positiver Eindrücke von Anatolien sammeln. Die Aussicht runter von den Bergen auf die beeindruckende Landschaft lässt einen sofort die Strapazen vergessen und das erfrischend kühle Wasser aus den Brunnen im Gebirge ist außerdem sehr zu empfehlen.

Die Dorfbevölkerung war oft recht überrascht über unsere ungewöhnliche Reisemethode und wir wurden teilweise wie Außerirdische beäugt, aber die Menschen waren immer sehr (gast)freundlich. Über unser Winken und Merhaba (Hallo) haben sie sich immer sehr gefreut, und wir wurden unzählige Male von der Straße weg zu Çay (Tee) eingeladen, auch zum Frühstück bzw. Essen und außerdem wurden wir reichlich mit frischgeernteten Früchten und Gemüse beschenkt: Tomaten, Kirschen (hierfür musste Olli auf einen Tanklaster klettern zum Pflücken), Pflaumen, Aprikosen, Pepperoni, Pfirsiche… alles ist gerade reif und ist total lecker frisch vom Baum bzw. Feld. Nach einer Weile konnte ich aber echt keine Pflaumen mehr sehen. Natürlich kann hier so gut wie keiner Englisch oder Deutsch, aber mit unserem kleinen türkischen Wortschatz ließen sich die 5 obligatorischen Standardfragen immer recht gut beantworten: Wo kommt ihr her? Wo fahrt ihr hin? Gefällt euch die Türkei? Seid ihr verheiratet? Habt ihr Kinder? Meist bekommt man zum Tee dann noch Zigaretten angeboten und manchmal wird man außerdem nach Religion und Beruf gefragt. Wenn einen dann schließlich ein anatolischer Ziegen- oder Kuhhirte mitten im Nirgendwo nach Facebook oder Twitter frägt, hauts einem aber echt den Vogel raus.  Auf dem Land war es außerdem oft so, dass die Männer nur Olli die Hand gegeben haben und anfangs nur mit ihm gesprochen haben. Aber ich hab mich dann wegen meiner besseren Türkischkenntnisse immer gleich mit ins Gespräch eingeklinkt und spätestens als ich unseren Kilometerstand auf Türkisch rezitiert habe, waren die Männer schon immer recht beeindruckt. Außerdem ist es nicht mangelnder Respekt vor mir als Frau, dass sie mich nicht ansprechen, sondern das genaue Gegenteil.  Mich direkt anzusprechen, wäre wie Flirten mit mir in Gegenwart meines Mannes. Komische Sitten ;)

Ein besonders lustiges Erlebnis hatten wir mit der hiesigen Polis (Polizei): Bei einer kleinen Pause direkt vor der Polizeistation haben sie uns sofort zum Tee eingeladen und sie haben uns außerdem zu unserem Brot mit Käse Oliven und Gurken serviert. Wir haben uns sehr gut unterhalten und durften dann schließlich zum Abschied Fotos mit ihnen zusammen und von uns im Polizeiauto schießen.  Die Polizei, dein Freund und Helfer ;)

Weniger schön war, dass es entlang den abgelegenen bergigen Straßen von Hühnerfarmen nur so gewimmelt hat und natürlich wird in der Umgebung dann mit dem Mist gedüngt, was zu einem herrlichen Duft in der ganzen Umgebung führt, der einem den ganzen Tag in der Nase liegt.

Die ersten Tage war alles herrlich grün, es wurde wie gesagt überall geerntet und es gab reichlich Bäume, die einem bei Pausen Schatten spenden. Dies hörte aber schlagartig auf, als es vom letzten Pass bergab ging. Plötzlich fanden wir uns in einer unwirklich wirkenden, wüstenartigen Landschaft wieder: rote Felsen rings herum, alles ganz trocken, keine Bäume mehr, nur Weizenfelder und die Brunnen und Menschen wurden immer weniger. Das zehrt einem trotz atemberaubender Landschaft aber manchmal ganz schön an den Nerven, wenn man da so ganz einsam mitten im heißen, schattenlosen Nichts radelt und nicht weiß, wann der nächste Brunnen kommt. Wir hatten zwar immer genug zu trinken, aber bedrückend ist das schon irgendwie.

Nach einer anstrengenden Woche haben wir uns dann riesig auf unseren nächsten Couchsurfer in Polatlı bei Ankara gefreut, bei dem wir uns 2 Tage ausruhen durften. Endlich wieder richtig duschen, eine Toilette, wenn auch nur ein Loch im Boden, ein richtiges Bett, eine Waschmaschine und eine richtige Küche mit Kühlschrank. Man lernt auf so einer Tour doch sehr die kleinen, zu Hause selbstverständlichen Dinge zu schätzen und sich darüber zu freuen. Unser Besuch dort war fast wie Weihnachten: Wir wurden sehr herzlich in die Familie aufgenommen und Hatice, die Mama unseres Gastgebers Ramazan, hat uns kulinarisch mit diversen unglaublich leckeren vegetarischen  türkischen Spezialitäten verwöhnt, obwohl die türkische Küche ansonsten sehr fleischlastig ist. Im Gegenzug haben wir Kaiserschmarrn mit Apfelmus gekocht. Die Abende haben wir immer in einem typischen türkischen Teegarten ausklingen lassen.

Für unsere erste Nacht wieder auf freier Wildbahn haben wir uns ein schönes Plätzchen direkt neben einem Brunnen ausgesucht. Im Feld nebenan haben 4 junge Kuhhirten auf ihre Kühe aufgepasst. Diesmal haben wir den Spieß umgedreht und für die 4 Tee gekocht, statt uns einladen zu lassen. Der Jüngste wollte schließlich unbedingt mal mein Fahrrad testen, was ihm sichtlich großen Spaß gemacht hat. Er wollte gar nicht mehr absteigen. Im Gegenzug durften wir dann auf seinem Esel reiten und die 4 haben uns eine ganze Ladung frischer Nohut (Kichererbsen) geschenkt. Als ein Gemüselaster neben dem Brunnen gehalten hat, weil der Fahrer Wasser vom Brunnen zapfen wollte, hab ich aus Spaß zu Olli gesagt, er solle mal fragen, ob wir ein paar Tomaten bekommen. Prompt haben wir eine Tüte Tomaten für nur 1 Lira (ca. 40 Cent, die Münze hatten wir zuvor auf der Straße gefunden, also quasi umsonst) bekommen.

Am nächsten Morgen wurden wir um halb 6 von einem Hund geweckt, der verwirrt unser Zelt angebellt hat. Nach wenigen Minuten hat er sich aber wieder vom Acker gemacht, als ihm unser regloses Zelt zu langweilig wurde. An diesem Tag war es dann leider erst mal vorbei mit idyllischen Landstraßen. Wir haben auf eine zweispurige vielbefahrene Bundesstraße gewechselt, auf der wir recht rasant auf dem Standstreifen in Kapadokya eingeradelt sind, begleitet vom begrüßenden Hupen und Winken der türkischen Auto- und LKW-Fahrer. Als Belohnung sind wir schließlich abends am beeindruckenden, riesigen Tuz Gölü (Salzsee) angekommen, der aussieht wie aus Eis und das bei 40°C, aber mehr davon im nächsten Bericht. Mit Kapadokya steht uns nun ein neuer, spannender Abschnitt unserer Reise bevor, auf den wir uns schon sehr freuen.

 

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