28.11. – 02.12.2012 Mysore & Umgebung

Im Land der Paläste, Elefanten und Affen

 

Sonja:

Ja, wir leben noch und ja, es geht uns gut!

Es tut uns leid, dass wir so lange nichts von uns haben hören lassen. Zum einen ist es physisch und psychisch manchmal ganz schön stressig, in Indien herumzureisen, zum anderen sind nicht immer Strom und Internet vorhanden und außerdem hatten wir schlicht und ergreifend oft auch gar keine Lust, etwas zu schreiben und Bilder zu bearbeiten. Wir hoffen, ihr habt Nachsicht mit uns.

Also, was ist nun passiert nach der Hochzeit in Mangalore? Am Abend nach der Feier haben wir uns gemeinsam mit Ronny, einem Verwandten Reemas, in einen Nachtbus Richtung Mysore gesetzt. Wir hatten uns vorgestellt, wir würden in unserer einigermaßen gemütlichen Schlafkabine die ganze Nacht schlafen und gut erholt am nächsten Morgen ankommen. Fehlanzeige! Die Fahrt war der Horror! Um von der Westküste ins Landesinnere zu gelangen, muss man die Westghats überwinden, einen Gebirgszug mit durchschnittlich 900 m Höhe. Es ging also permanent bergauf und das auf einer extrem kurvigen und schlaglochreichen Straße. Wir wurden durchgeschüttelt wie in einer Achterbahn und sind auf unseren Matratzen hin und her gerollt. An Schlafen war nicht zu denken. Ich hatte die größte Mühe, mein Essen bei mir zu behalten, wohingegen Olli ganz andere Probleme hatte…

Olli:

Ich hatte plötzlich einen tierischen Druck auf der Blase und das Geholpere und Hin- und Hergerolle machten die Sache nicht einfacher. Leider wusste ich nicht, dass man den Fahrer jederzeit anhalten konnte, und ich dachte, ich müsse es aushalten bis zum nächsten Stopp, von dem ich nicht wusste, ob er in 5 Minuten oder in ein paar Stunden sein würde. Nach kurzem Abwägen und Überlegen hab ich kurzerhand den restlichen Inhalt unserer Wasserflasche aus dem Fenster gekippt, mich mit dem Rücken oben gegen die Decke unserer Kabine gedrückt, um einigermaßen Stabilität zu haben, und hab versucht, in die Flasche zu zielen. Einfacher gesagt als getan. Versucht mal in einer Achterbahn in eine Flasche zu pinkeln. Die ganze Prozedur hat mich einiges an Kraft und Nerven gekostet und war mit 30 Minuten der bei weitem längste und anstrengendste Toilettengang meines Lebens.

Sonja:

Nach der lang ersehnten Ankunft in Mysore hat uns Ronny in einem christlichen Hilfswerk (ODP – vielen Dank an Pater Staney) untergebracht und wir durften uns ein paar Stunden ausruhen. Mir war dennoch den ganzen restlichen Tag flau im Magen.

Die folgenden 2 Tage haben sich Ronny und seine Nichte Anisha die größte Mühe gegeben, uns sämtliche Highlights Mysores zu zeigen. Vielen lieben Dank an die beiden! Am beeindruckendsten fanden wir den Amba Vilas Palast, einer der berühmtesten Paläste Indiens. Jeden Sonntagabend wird dieser für eine Stunde mit über 80 000 Glühbirnen hell erleuchtet, was aber bei unserem Besuch leider ausfallen musste, da am Tag zuvor der ehemalige Premierminister gestorben war. Ausgerechnet wenn wir kommen. Wir hatten aber stattdessen das erste mal die Gelegenheit, auf einem Elefanten zu reiten und ich wurde außerdem  vom Elefanten gesegnet, was so abläuft, dass er einem gegen eine Geldspende segnend den Rüssel auf den Kopf legt. Als er seinen Rüssel wieder hoch hob, hat er meinen Pferdeschwanz eingesaugt und auch mit hochgehoben, was sich recht lustig angefühlt hat, was aber zur Folge hatte, dass meine Haare danach mit Elefantenschleim gegelt waren. Lecker!

Des Weiteren haben wir Vogelpark und Zoo besichtigt, in dem Olli für die Schulklassen eine größere Attraktion war als die Tiere und alle ihn fotografieren wollten. Am Musikbrunnen in den Brindavan Gärten war es dafür umgekehrt. Hier waren die jubelnden und begeistert kreischenden Inder eine größere Attraktion  als der nächtlich beleuchtete Brunnen, der die Wasserfontänen zum Rhythmus der Musik ausspuckt. Außerdem haben wir zusammen auf dem Berg Chamundi Hill den Chamundeshwari Tempel, ein wichtiges Pilgerziel, besucht.

Da wir ja beide mehr die ruhigeren und abgelegenen Gegenden bevorzugen, haben wir uns nach diesem ganzen Sightseeing schon sehr auf das idyllische Landleben gefreut, da uns Ronny versprochen hatte, uns mit zu seinen Eltern in sein Heimatdorf zu nehmen. Hier durften wir schließlich fern der städtischen Hektik das volle Ausmaß der indischen Gastfreundschaft genießen. In Ronnys kleinem Elternhaus haben wir unser eigenes Zimmer mit Bad bekommen, seine Mutter hat uns wie ihre eigenen Kinder aufgenommen und uns mit leckeren lokalen Spezialitäten bekocht und nicht mal Wäsche waschen durften wir selber auf ihrem typisch indischen Waschstein. Olli wurde bei dem Versuch sofort die Wäsche entrissen und er wurde zurechtgewiesen, dass ein Gast keinen Finger rühren darf. Wie schon erwähnt, haben viele Familien in Indien keine Waschmaschine, sondern einen Waschstein im Freien, auf dem per Hand gewaschen wird, auch Kühlschrank und Klimaanlage sind oft nicht vorhanden und mehrmals täglich muss mit Stromausfall gerechnet werden, weshalb manche Haushalte eine große Batterie, einen sog. Inverter, haben.

Beim Besichtigen des familieneigenen kleinen Bauernhofes außerhalb des Dorfes sind wir gemeinsam durch Reisfelder und Bananenplantagen spaziert und wurden darüber aufgeklärt, dass die Tiere wie Kühe, Ziegen und Hühner nachts alle eingesperrt werden müssen, da ansonsten Panther kommen, um sich über das Festmahl herzumachen. Gut, dass wir uns gegen das Zelten in Indien entschieden haben. Abgesehen von der dichten Besiedelung Indiens, die es schwierig macht, ein ruhiges Plätzchen zu finden, weiß man nie, was nachts in den Wäldern auf einen lauert.

Wir hatten hier außerdem unsere ersten Kontakte zu wild lebenden Affen. Wir waren sofort begeistert von den süßen kleinen Tierchen, aber mussten auch gleich lernen, dass es sich dabei keinesfalls um niedliche Kuscheltiere handelt, sondern um Wildtiere, die auch ganz schön angriffslustig und gefährlich sein können. Als eines dieser kleinen Äffchen auf uns zu gerannt kam, meinten Olli und ich spaßeshalber, ob keiner eine Banane dabei hätte. Ronnys Vater hat stattdessen einen Keks gezückt und dem Tier zu geworfen, woraufhin schnell seine 10 Freunde bzw. Familienmitglieder um die Ecke geschossen kamen. Der Anführer kam wild fauchend und Zähne fletschend auf uns zu gerannt, woraufhin wir ihm die ganze Kekspackung entgegen warfen und schnell das Weite suchten. Bitte nicht nachmachen, liebe Kinder.

Olli:

Hier im Dorf wurde einer meiner großen Träume Wirklichkeit: Ich durfte ohne Führerschein auf den holprigen Landstraßen Autorikscha (Tuktuk) und außerdem Motorrad  fahren. Ich wollte gar nicht mehr aufhören und hätte mir zu Sonjas Entsetzen am liebsten ein Tuktuk gekauft, um damit den Himalaya zu überqueren. Naja, vielleicht ein anderes mal.

Was wir hier außerdem gelernt haben ist, wo die ganzen indischen Priester herkommen, die nach Deutschland geschickt werden. Die katholische Kirche baut in den Dörfern Kirchen, Klöster, Schulen und Krankenhäuser, wofür die Landbevölkerung so dankbar ist, dass in vielen Familien ein Sohn Priester und eine Tochter Nonne wird.

Sonja:

Ich durfte hier einen ganz normalen  Sonntagsgottesdienst miterleben, bei dem die Kirche so brechend voll war, Frauen im bunten Sonntagssari links, Männer im Lungi rechts, dass viele auf dem Boden saßen und auch vor den offenen Türen und Fenstern Leute standen, um den Gottesdienst mitzuverfolgen. Beim gemeinsamen Gesang haben sich alle lauthals und begeistert beteiligt.

Amen.

 

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