04. – 22.08.2012 Trabzon, die Hauptstadt der Haselnüsse

 

Sonja:

Endlich nach 80 km in Trabzon angekommen war ich echt total fertig, da ich nichts essen konnte, mir schlecht war und ich den ganzen Tag von Schweißausbrüchen geplagt wurde. Ich wollte nur noch duschen und ins Bett. Als Olli wie verabredet unseren Couchsurfing Gastgeber Berkant anrief, stellte sich aber leider raus, dass er gerate mitten im Umzug steckt und uns nicht bei sich zu Hause aufnehmen kann. Nein!!! Er hatte aber eine Lösung parat: Wir sollen 20 km weiter fahren zu einem Hotel in Arsin. Aber wir wollten doch in kein teures Hotel! Seine Antwort: Ist nicht teuer. Ich bin da der Manager und ihr bekommt von mir ein Zimmer gratis. Was?!? Wow! Cool! Aber nochmal 20 km?!? Oh nein! Also wieder rauf aufs Rad und noch ein Stück weiter schleppen, vorbei an einem Meer aus Haselnüssen, die hier überall am Straßenrand und auf den Gehsteigen zum Trocknen liegen. Die Anstrengung hat sich gelohnt. Unser vorübergehendes Zuhause entpuppte sich als Doppelzimmer mit Meerblick, Bad, Klimaanlage, Fernseher und rasend schnellem Internet und das Essen war der Hammer. Pünktlich zu unserer Ankunft hat es dann auch angefangen zu regnen und sollte 2 Wochen nicht aufhören. Die Abkühlung hat echt gut getan, aber schwül war es trotzdem noch.

Die ersten paar Tage hab ich hauptsächlich teetrinkend im Bett verbracht, um meine Magen-Darm-Probleme auszukurieren. Olli hat Berkant und seinen Kumpels mehrere Abende beim Umzug geholfen, womit immer erst spät abends begonnen wurde wegen Ramazan und Berkants Arbeit. Wir hatten uns außerdem Post nach Trabzon schicken lassen, unter anderem ein neues Tretlager für Olli, da sein altes schon in Serbien begonnen hatte Probleme zu machen und es jetzt endgültig im Eimer war. Beim Versuch, es einzubauen, dann die böse Überraschung: Leider ist uns das falsche geschickt worden und zwar eines für Tandems! Nein!! Nach ein paar Telefonaten mit Deutschland und nachdem wir Berkant unser Problem geschildert hatten, stand fest: Wir lassen uns sofort ein neues, diesmal das richtige, von daheim schicken und können die Wartezeit weiterhin im Hotel verbringen, gratis natürlich. Laut Berkant kein Problem, aber wir kamen uns zeitweise schon ein bisschen komisch und fehl am Platz vor und hatten Schwierigkeiten, mit so viel Gastfreundschaft klar zu kommen.

Eine weitere Hürde, die es zu bewältigen galt und vor der uns ein wenig mulmig war, war unser Besuch beim iranischen Konsulat in Trabzon, um unsere Visa für den Iran zu beantragen. Wir wussten aus diversen Quellen, dass die Beamten dort meist recht freundlich und unkompliziert sind und man normalerweise innerhalb eines Tages sein Visum für 30 Tage in Händen hält. Manche berichten allerdings, dass sie ohne ersichtlichen Grund nur Visa für 15 Tage erhalten haben. Wir hatten Bedenken, dass bei unserem Glück und auch noch während dem Ramazan, wo die Beamten vielleicht allein schon wegen fehlendem Essen und Trinken nicht so gut drauf sind, das ganze eigentlich nur schief gehen kann. Wir haben deshalb alles ganz penibel vorbereitet und recherchiert und uns der iranischen Kleiderordnung entsprechend gekleidet: Bei mir hieß das lange Hose, extra in Istanbul für diesen Zweck erstandene Tunika und Kopftuch und auch Olli hat seine kurze gegen eine lange Hose getauscht. Auf der Suche nach der Botschaft haben wir dann Kemal kennengelernt, der eigentlich in Deutschland lebt und gerade hier auf Urlaub ist. Dieser hat sich uns dann kurzerhand angeschlossen, um uns bei der Suche zu helfen, und ist dann sogar mit rein zum Konsulat und hat für uns übersetzt. Die Beamten waren recht nett und schon nach wenigen Minuten waren die nötigen Papiere ausgefüllt und wir mussten nur noch zur Bank gehen, um die anfallenden Kosten für die Visa einzubezahlen. Was mich am meisten überrascht hat war die Tatsache, dass sie ohne Weiteres mein Passbild ohne Kopftuch akzeptiert haben, da ich schon damit gerechnet hatte, dass sie mich wahrscheinlich nochmal wegschicken, um eines mit Kopftuch machen zu lassen. Aber nein, mein Bewerbungsfoto aus Deutschland war dem Beamten seriös genug und er erklärte uns nur, dass sie oft das Problem haben, dass Mädels mit recht freizügigen Schnappschüssen vom Strand daherkommen. Nach dem Abstecher zur Bank waren wir noch mit Kemal in seinem Hotel, um uns etwas zu unterhalten, und als wir schließlich um 11 Uhr wieder zum Konsulat sind, waren wir nach insgesamt nur 2 Stunden stolze Besitzer zweier Iranvisa für je 30 Tage. Juhu!

Olli:

Unsere weitere Wartezeit auf die Post aus Deutschland haben wir wie folgt totgeschlagen:

Wir haben zusammen mit den Couchsurfern Ella aus Australien und Juan aus Costa Rica das absolut sehenswerte und beeindruckende Sümela Felsenkloster in den verregneten und nebligen Bergen besichtigt. Weiterhin haben wir uns natürlich nicht die kleine Hagia Sofia entgehen lassen. Ella haben wir außerdem zum Konsulat begleitet, wo die Beamten diesmal allerdings nicht so freundlich waren. Da sie Australierin ist, wurde sie gleich wieder weggeschickt mit der Aufforderung, sich zuerst eine kostenpflichtige (20 €) Referenznummer online zu besorgen, was 7 bis 10 Tage dauern kann. Leider sind die Iraner nicht so gut auf die Australier zu sprechen, da diese wohl politisch den USA sehr nahe stehen. Außerdem haben wir ebenfalls im Konsulat 2 Polinnen kennengelernt, die uns mit zu ihrer Couchsurfing Gastgeberin genommen haben, die das einzige Kostümgeschäft Trabzons leitet, wo sie mit ihren Mitarbeiterinnen zusammen sämtliche Kostüme selbst schneidert. Mein absoluter Favorit: das Elefantenkostüm. Ihre Mutter haben wir ebenfalls besucht, die eine Schneiderei hat für Hochzeitskleider und andere festliche Kleidung. An Baden im Meer war leider wegen des schlechten Wetters nicht zu denken, aber wir hatten sehr viel Spaß mit 2 weiteren Couchsurferinnen, Marianne und Nidalin von den Philippinen, die Berkant auch im Hotel untergebracht hatte, und die uns bei reichlich Wein am Abend Bilder von sich zu Hause gezeigt haben. Die Philippinen stehen jetzt natürlich ganz fest mit auf unserer Reiseplanung. Zusammen mit einer weiteren Couchsurferin, Meryl aus Belgien, der wir ein bisschen Yoga beigebracht haben und die absolut süchtig ist nach türkischen Süßspeisen, haben wir uns schließlich noch mit ein paar kulinarischen Spezialitäten wie Su Börek und Baklava (natürlich mit hiesigen Haselnüssen gefüllt) angefreundet. Unser Bier mussten wir wegen Alkoholverbot im Ramazan als Apfelsaft tarnen :)

Während unserem über 2wöchigen Aufenthalt hier ging schließlich auch der Ramazan zu Ende, was ja an sich positiv gewesen wäre. Die 4 Tage direkt anschließend an diese Fastenzeit werden deutsch Zuckerfest genannt und sind Feiertage, an denen die Post leider nicht arbeitet. Juhu, noch länger auf unsere Post warten! Während dieser ganzen Wartezeit haben wir uns recht gut mit dem gesamten Hotelpersonal angefreundet und gehörten am Schluss schon fast mit zum Inventar. Wir hatten ziemlich viel Spaß mit den Jungs und Mädels. Liebe Grüße an dieser Stelle an: Ebru von der Rezeption, an deren 18. Geburtstag wir die Hotelküche gestürmt haben, um fürs ganze Team Apfelstrudel zu backen, anschließend haben wir versucht, ihr Salsa und Fahrradfahren beizubringen; Koch Ibrahim von der Texas Mutfak Mafia, der uns mit dem besten türkischen vegetarischen Essen verwöhnt hat; Küchenhilfen Laura und Nilüfer, die immer so gut gelaunt waren; Kellner Mustafa, Murat und Oguz, die mich zum Hilfskellner ausgebildet haben und uns Serviettenfalten beigebracht haben; Koch Sertac mit dem coolen Tattoo; die nette Putzfrau und natürlich den großartigen Hotelmanager Berkant, der mich in die hohe Kunst des Backgammon eingewiesen hat! Wir werden Euch alle sehr vermissen.

 

 

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