16. - 26.07.2012 Tuz Gölü  & Kapadokya 299 km

 

Olli:

Als wir beim Umrunden des hammergroßen Salzsees Tuz Gölü am Abend das Salzmuseum erreicht haben, wurden wir wieder einmal von Touris umringt ;). So haben wir schnell beschlossen, uns für die Nacht in der Nähe ein ruhigeres, einsameres Plätzchen zu suchen. Übernachtet haben wir schließlich auf einer stillgelegten Schaffarm, um dann gleich am nächsten Morgen ohne Touristen auf dem Salzsee ein wenig zu radeln und Fotos zu schießen. War mal was ganz anderes, auf purem, festem Salz zu fahren.

Anschließend gings über 100 Kilometer auf einer recht flachen Straße den Salzsee entlang nach Aksaray, wobei wir das Glück hatten, meist alleine auf einer gerade frisch geteerten, noch gesperrten Straße, fahren zu können. In Aksaray angekommen hat uns ein Postbote, den wir nach dem Weg gefragt haben, kurzer Hand mit seinem Postrad quer durch die Innenstadt geleitet - was für ein Service ;) - bis wir schließlich unseren Couchsurfing-Gastgeber Kemal gefunden hatten, bei dem wir ein paar Tage ausruhen wollten.  Am Abend beim Essen - wir haben mal wieder Pizza gebacken - dann aber die schlechte Nachricht: Kemals Oma ist gestorben, weshalb sich für den nächsten Tag sämtliche Verwandte angekündigt haben. Folglich kein Platz mehr für uns, außerdem wollten wir den Trauernden auch nicht zur Last fallen. Also sind wir am nächsten Morgen, noch fertig und müde von den 100 km vom Vortag, nach Nevsehir aufgebrochen, um dort bei einer Radlerin über Warmshowers unterzukommen. Doch dann passierte das Unglück…

Die Strecke war wieder einmal Klebeteer mit Steinen drauf, und es ging in der größten Hitze immer wieder Hügel rauf, Hügel runter. Als es gerade mal wieder bergab ging, loser Schotter… Bevor ich groß nachdenken konnte, war ich bereits auf dem Schotter und das bei 40km/h. Jetzt bloß nicht wackeln oder bremsen, dachte ich, und war auch schon drüber.

Sonja:

Bei mir ging es da nicht so glimpflich. Ich war müde und unkonzentriert und dachte: „Juhu, endlich bergab mit kühlendem Fahrtwind!“ und hab Vollgas gegeben mitten in die losen Steine rein. Als ich meinen Fehler bemerkt hatte und vorsichtig langsamer machen wollte, war es aber schon zu spät. Durch mein Bremsen hat es mir natürlich sofort die Reifen weggezogen. Ich hatte keine Chance mehr gegenzusteuern und dachte nur noch: SCHEIßE!! Ich bin mit voller Wucht auf meinem linken Ellbogen gelandet, ein Stück die Straße entlang geschliddert und dann noch einmal um die eigene Achse. Ich bin daraufhin sofort aufgesprungen und war erst einmal erleichtert, dass ich noch alles bewegen konnte. Dann hab ich entsetzt festgestellt, dass ein paar meiner Sachen auf der Straße verteilt lagen und ein LKW am Anrollen war. Nochmal Scheiße! Ich bin also auf die Fahrbahn gerannt und hab mein Zeug eingesammelt. Alles in Sicherheit hab ich gemerkt, dass mein Ellbogen alles vollblutet. Scheiße, voll die fiese Fleischwunde, und ich kann doch kein Blut sehen. Ich hab mein Halstuch auf die Wunde gedrückt und mich noch rechtzeitig in die Böschung gelegt, bevor ich ohnmächtig werden konnte.

Olli:

Nach einem kurzen Check in den Rückspiegel sah ich Sonja  gerade aufstehen und ihre Sachen von der Fahrbahn einsammeln. Rad abstellen und zu Sonja rennen, war meine erste Reaktion. „Bist Du auf den Kopf gefallen?!?“ Antwort: “Nein“. Gut, alles andere ist halb so wild, dachte ich. Sonja hatte eine tiefe Fleischwunde am linken Unterarm, aber anscheinend nichts gebrochen, und Abschürfungen an beiden Rippenbögen, am linken Schienbein und am rechten Arm. Das lässt sich alles „reparieren“. Ich hab dann gleich den nächstbesten Trucker angehalten und ihm „Mobile“ und „Ambulans“ zugerufen, woraufhin dieser sofort wusste, was los ist.

Sonja – Glück im Unglück:

Als ich da so halb bewusstlos in der Böschung lag, hab ich langsam gemerkt, was mir alles weh tut. So nach und nach haben dann mehrere mitleidig dreinblickende LKW-Fahrer meinen Arm begutachtet, ganz entsetzt geschaut und den Kopf geschüttelt. Das hat mich schon sehr aufgemuntert und getröstet, wie man sich vorstellen kann. Schließlich sind dann Jandarma und Krankenwagen angerückt. Olli konnte bedingt durch die Stresssituation plötzlich total gut türkisch und hat mit der Militärpolizei ausdiskutiert, dass sie unser Gepäck plus Räder mitnehmen und er mit mir ins Krankenhaus fährt. Zu mir kam eine Sanitäterin mit weißem Kopftuch, hat mich angestrahlt und nach Begutachtung meines Arms gemeint: „Halb so wild. Das wird schon wieder.“ Ich wurde fixiert auf einer Bahre und auf einer sehr rasanten, holprigen Fahrt wie in der Achterbahn mit Blaulicht ins Krankenhaus nach Nevşehir transportiert.

Natürlich konnte hier keiner Englisch. Nach diversen Röntgenaufnahmen und Ultraschall stand fest, dass ich wirklich nur äußerlich lädiert war. Bei der ganzen Prozedur in der Notaufnahme, hat schließlich der einzige englischsprechende Arzt vor Ort (plastischer Chirurg Burak), der gerade mit einem anderen Patienten fertig wurde, meine Verständigungsschwierigkeiten mitbekommen und hat sich meiner angenommen. Während er mich mit neun Stichen wieder zusammengeflickt hat, hat er uns von seiner Freundin erzählt, die aus Landshut kommt, dass er ganz begeistert ist von Bayern und wie er dem Vater seiner Freundin im Garten eine Platzwunde geflickt hat. Er hat mich so gut abgelenkt, dass ich vom Nähen fast nichts mitbekommen hab. Als gleichgesinnter Backpacker hat er schließlich nichts fürs Nähen verlangt, hat mit der Jandarma die Formalitäten geklärt und hat mit Olli zusammen mit seinem Auto unser Gepäck abgeholt.

Ich wurde in der Zwischenzeit in ein Krankenbett verfrachtet und hatte dabei Gesellschaft von Alkim, unserer Warmshowers-Gastgeberin, und ihrem Freund, dem Radler Laurens aus Belgien, die per Rad zum Krankenhaus geeilt waren. Wir haben uns sehr gut über unsere diversen Radlergeschichten unterhalten. Mir gings gleich besser. Burak hat uns schließlich samt Gepäck zu Alkim heim gefahren, mir einen Sack Verbandszeug und Medikamente gegeben und hat uns schließlich noch zum Wandern eingeladen für die nächsten Tage. Er hat mir außerdem verordnet, eine Woche nicht zu radeln und nach zwei Wochen die Fäden zu ziehen. Wenn etwas gebrochen gewesen wäre am Ellbogen, hätte das mehrere Monate gebraucht zu heilen. Da hatte ich echt nochmal Glück im Unglück.

Olli:

Am nächsten Tag bestand meine Mission darin, mit Laurens zum Unfallort zu trampen, um die Räder von der Jandarma abzuholen. Diese bekamen wir aber natürlich erst nach einer gemeinsamen Tasse Tee ausgehändigt. Laurens musste dann mit Sonjas zu kleinem Rad 50 km zurück radeln, wofür wir ihm total dankbar sind. Die nächsten Tage haben wir erst mal mit Ausruhen, Regenerieren und gegenseitigem Bekochen verbracht. Dank Ramadan-Beginn war es allerdings mit dem Ausschlafen etwas schwierig, da wir immer pünktlich um 3 Uhr morgens vom lauten Trommeln auf der Straße zum Frühstück geweckt wurden ;)

Nach mehreren Tagen Faulenzen sind wir schließlich mit Arzt Burak abends noch wandern gegangen, und er hat uns seine Lieblingsstellen rund um Göreme, dem Herzen Kapadokyas, gezeigt, u.a. „Pink Floyd Rock“ ;). Wir waren auf Anhieb begeistert und überwältigt von den phantastischen Gesteinsformationen, aber seht selbst auf unseren Bildern. Den Abend haben wir schließlich mit vegetarischen Burgern und Bier ausklingen lassen. Zum Dank haben wir Burak versprochen, Werbung für ihn in Deutschland zu machen: Also, wenn ihr mal einen sehr guten plastischen Chirurgen sucht für Botox oder ähnliches, wir haben seine Nummer ;)

Sonja:

Unseren nächsten und letzten Tag rund um Göreme und Co. haben wir mit Couchsurfer Derviş  verbracht, mit dem wir uns zum Sightseeing verabredet hatten. Olli durfte in Avanos, das bekannt ist für sein Töpferhandwerk, auf einer Drehscheibe selbst ausprobieren, wie man einen Tonhaufen zu einer Vase formt, was aber viel schwerer ist als es aussieht. Außerdem sind wir mit ihm zu verschiedenen Felsenkirchen und durchs beeindruckende Felsendorf Çavuşin gewandert. Alkim und Laurens haben uns abends schließlich zum Abschied mit selbstgemachten, total leckeren „meze“ (türkische Vorspeisen) verköstigt – das Raki-Koch-Duo in Aktion ;)

Nach einer Woche Ausruhen gings schließlich wieder in die Sättel. Ich hatte keine Schmerzen mehr, war nur noch ein bisschen bewegungseingeschränkt in der Schulter und im geprellten Brustkorb – halb so wild. Ich werde allerdings noch eine Weile etwas Angst haben vorm Bergabfahren.

 

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