30.05. - 05.06.2012 Grenze Bulgarien - Ruse 449 km

 

Sonja:

Mit Überquerung der bulgarischen Grenze sind wir nicht nur in ein neues Land, sondern außerdem in eine andere Zeitzone geradelt. Unsere erste Amtshandlung bestand somit darin, sämtliche Uhren eine Stunde vorzustellen. Bulgarien hat uns sonnig und heiß (30 bis 40°C), hügelig und mit saftig grüner, blühender Vegetation empfangen. Wir haben gleich gemerkt, dass die Bulgaren etwas zurückhaltender sind als die Serben. Nicht jeder hat wie wild gehupt und gewunken, um uns zu grüßen.  Auf der oft sehr holprigen Straße kommen einem immer wieder Pferde- und Eselkutschen, überfahrene Schlangen und leuchtend grüne Eidechsen in den Weg, und am Wegesrand sind überall Maulbeerbäume zu finden mit leckeren reifen Früchten. Für den durstigen Radler sind auch immer wieder Brunnen mit kühlem Wasser in Dörfern oder am Wegesrand eine willkommene Erfrischung. Wusstet ihr eigentlich, dass die Bulgaren mit dem Kopf schütteln, wenn sie "ja" meinen und nicken, wenn sie "nein" sagen wollen? Sehr verwirrend, wenn man nach Wasser fragt und die schütteln fröhlich grinsend mit dem Kopf.

Gleich am ersten Tag hatten wir bei der Frage nach dem Weg Kontakt zu einem sehr netten bulgarischen Ehepaar, das uns gleich mit „Hola!“ begrüßte. Hola? Sind wir jetzt in Spanien statt Bulgarien gelandet? Die Frau hat uns dann auf Spanisch erklärt, dass sie mal in Spanien gearbeitet hat und ihre Kinder dort leben. Für unsere Weiterreise haben uns die beiden dann noch mit gekochten Eiern und selbstgemachtem Tomatensaft versorgt.

Wir machten an diesem Tag allerdings auch gleich unsere negativste Erfahrung bisher. Wir haben uns gerade mitten im Wald Serpentinen bergauf gequält, als plötzlich eine Meute von fünf großen Hunden angeführt von einem Schäferhund wütend bellend aus dem Dickicht auf uns zugeschossen kamen. Wir haben so gut es ging versucht, bergauf Gas zu geben, aber ich geriet dermaßen in Panik, als mich der Schäferhund erreicht hatte, dass ich zum ersten Mal Gebrauch von meinem Pfefferspray machte, ohne zu bedenken, dass Olli hinter mir auch was von der Wolke abbekommen könnte. Dieser hatte die anderen vier Köter auf den Fersen und hat natürlich eine ganz schöne Ladung meines Sprays abbekommen, ist aber ansonsten unbeschadet, aber fluchend und hustend dem Rudel entkommen.

Wir hatten nun endlich wieder die Donau erreicht mit der Hoffnung, dass es hier schön flach und zügig voran geht. Wer hätte gedacht, dass es hier allerdings so hüglig sein würde. Es kann sich sicherlich jeder vorstellen, wie beschissen anstrengend es ist, sich bei der Hitze Hügel und Serpentinen hoch zu quälen und wie man sich über jeden noch so zarten Windhauch und kleinen Schatten freut. Wir merken aber wie von Tag zu Tag Ausdauer und Muskeln langsam aber sicher wachsen.

Unseren aufregenden ersten Tag in Bulgarien wollten wir dann abends ganz gemütlich und ruhig mit einem riesen Topf Nudeln beschließen, als es plötzlich wenige Meter neben uns hinter den Bäumen einen lauten Knall gab, gefolgt von aufsteigenden Rauchschwaden.  Wir rannten sofort zum Ort des Geschehens, wo Olli einem älteren Herrn aus dem Unfallwagen half, der die Böschung runter an einen Baum geknallt war. Seine Frau hatte sich schon selbst in Sicherheit gebracht und erklärte uns, dass bergab auf einmal die Bremsen versagt hatten. Beiden war glücklicherweise nichts passiert. Uns hat dies nun noch in dem schon gehegten Verdacht bestätigt, dass viele Autos hier in Deutschland nicht durch den TÜV kommen würden.

Am nächsten Tag haben wir uns riesig gefreut, als sich ein großes gelbes Lidl Zeichen in unser Blickfeld schob: „Ja! Endlich wieder gescheites Vollkornbrot!“ Seit Wochen schon gibt es nämlich nur noch Weißbrot („Knautschibrot“) zu kaufen. Sowas ähnliches haben sich wohl auch 6 andere Deutsche Radler gedacht, die wir dann am Eingang des Supermarktes getroffen haben. Olli hat vor lauter Freude gleich viel zu viel eingekauft und unsere Vorratstaschen und Mägen waren danach übervoll. Trotz Gewitter abends war keine Abkühlung in Sicht.

Am nächsten Tag ging es wieder mal steil bergauf, als uns völlig unerwartet ein deutscher Radler überholt hat. Oben angekommen hat er uns erzählt, dass er schon von uns gehört hatte, da er ebenfalls die 6 Deutschen vom Vortag getroffen hat. Er, Volker, ist auf dem Weg von Donaueschingen zum Schwarzen Meer.

Einige Zeit später hat plötzlich Ollis Tretlager angefangen zu knarzen, was ihn zwischenzeitlich schon recht aufgeregt und fertig gemacht hat, da anscheinend immer nur an seinem Rad was nicht stimmt. Leider konnten wir nicht recht ergründen, was die Ursache für diese komischen Geräusche ist. Vielleicht eine kaputte Kugel im Kugellager?

Wir hatten die letzten Tage nicht viel von der Donau gesehen, da der Radweg immer in einiger Entfernung zum Fluss verläuft, aber um unser Nachtlager aufzuschlagen, sind wir an diesem Abend einem matschigen Feldweg weg vom Radweg bis zum Donauufer gefolgt und wurden belohnt mit einem richtig schönen Zeltplatz im Garten hinter einer Fischerhütte. Der Hausherr Ratku hat uns sogar zwei Betten in seiner Hütte angeboten, aber wir wollten bei der schwülen Hitze lieber draußen im kühlen Zelt schlafen.

Am nächsten Tag waren unsere Shirts schließlich so verschwitzt und voller Salzflecken, dass wir an einem Brunnen 12 Liter Wasser extra aufgetankt haben, um endlich mal wieder ausgiebig Wäsche zu Waschen. Zum Totlachen fand ich, als Olli bei der Suche nach einem geeigneten Zeltplatz laut kreischend und wie von der Tarantel gebissen hinter einem Gebüsch hervor gerannt kam mit den Worten: „Bloß weg hier!“ Als er wieder bei Atem war, hat er mir erklärt, dass eine riesige Spinne auf seine Hand geklettert war. Leider hat er sich geweigert, nochmal an die Stelle zurück zu gehen, um ein Foto zu machen. Weichei! *grins* Wir haben trotzdem noch eine gemütliche Stelle zwischen den Weinbergen entdeckt, wo uns die neugierigen Arbeiter vom Feld her interessiert beobachtet haben beim Wäsche- und Haarewaschen.

Am Folgetag haben wir leider den Fehler gemacht, uns auf eine stark befahrene Bundesstraße zu verirren. Die Kamikaze-LKW sind uns ganz schön um die Ohren gebraust und kamen teilweise gefährlich nahe. Als wir dann einen LKW sahen, der die Leitplanke durchbrochen hatte und die Böschung runter gestürzt war, wurde es uns noch mulmiger zumute, und wir verließen bei der nächsten Gelegenheit sofort diesen „Highway to Hell“.

Die glühend heiße Sonne, die von Tag zu Tag stärker wurde, hatte meine Haut nach und nach trotz 50er Sonnencreme ziemlich verbrannt, weshalb wir schließlich beschlossen, in Ruse einen Couch Surfer zu suchen, um unseren beanspruchten Muskeln und meiner verbrannten Haut, die ich zum Schutz trotz Hitze mit Langarmshirt und Kopftuch verhüllt hatte, eine Ruhepause zu gönnen.

 

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