13.10. - 05.11.2012 Tashkent 

In den Fängen des Überwachungsstaates

 

Den absoluten Höhepunkt der „Gastfeindschaft“ erlebt man eindeutig in Usbekistan, besser gesagt in der Hauptstadt Tashkent. Unseren Aufenthalt dort konnten wir nicht so recht genießen, da es überall nur so wimmelt von Polizisten und Spitzeln in Zivil. Man fühlt sich auf Schritt und Tritt überwacht, man kann sich nicht frei bewegen, die Behörden wollen zu jeder Zeit genau wissen, wo man sich befindet und man muss immer darauf gefasst sein, von der Polizei aufgehalten und kontrolliert zu werden, v.a. in der U-Bahn, wo dann Pass mit Visum und der Tascheninhalt kontrolliert werden. Natürlich sprechen die Beamten nur Russisch oder Usbekisch. Englisch ist weitgehend unbekannt. Manchmal muss man sogar Rechenschaft darüber ablegen, wo genau man sich an jedem Tag seit der Einreise aufgehalten hat. Überprüft wird dies anhand von kleinen Zettelchen, den sog. Registrierungen, die man sich von jedem Hotel, in dem man genächtigt hat, ausstellen lassen muss. Als Fahrradtourist verbringt man in der Regel viele Nächte im Zelt und hat natürlich wegen der geringen Reisegeschwindigkeit nicht immer die Möglichkeit bei der Fahrt über Land, eine Stadt mit Hotel zu erreichen. Außerdem wird man von manchen Hotels sogar abgewiesen, wenn man nicht seine lückenlos geführten Registrierungen vorlegt. Dieser ganze Überwachungsapparat, der sehr an Orwells 1984 erinnert, wurde zudem im August 2012 noch verschärft, weshalb das Auswertige Amt insbesondere Individualtouristen ausdrücklich vor der Einreise warnt.

Am Flughafen von Tashkent durften wir dann die volle Pracht des Überwachungsstaates genießen, als wir unser Visum um eine Woche verlängern lassen wollten, da sich unser Abflug nach Indien wegen Visabeschaffung verzögerte. Unsere diversen Registrierungslücken, da wir ja immer wieder mehrere Nächte am Stück im Zelt verbracht hatten, wurden nach Hinweis auf unsere Radreise akzeptiert. Was wir aber nicht wussten war, dass die Registrierungen, die wir von unserer Unterkunft in Tashkent erhalten hatten, nicht legal waren, da das Unternehmen wohl nicht berechtigt war, solche auszustellen. Wir haben den Sachverhalt allerdings erst sehr viel später so richtig verstanden, da uns trotz mehrmaligem Bitten den ganzen Tag kein Übersetzer gestellt wurde. Wir wurden von morgens  9 Uhr bis abends 17 Uhr ohne Erklärung am Flughafen festgehalten, ohne Trinken und Essen, und konnten auch nicht zur Toilette gehen.

Abends hat uns dann die Polizei mit aufs Revier genommen, wo ich (Sonja) endlich auf die Toilette durfte. Als ich aus der Hocke über dem Loch im Boden wieder aufstehen wollte, wurde mir auf Grund von Flüssigkeitsmangel dermaßen schwarz vor Augen, dass ich mich auf den dreckigen Toilettenboden legen musste, wo ich dann für einige Sekunden bewusstlos lag, bis mir ein „hilfsbereiter“ Polizeibeamter aus einer Flasche Wasser ins Gesicht gegossen hat und mich unsanft am Arm hochgezerrt hat.

Endlich hat man uns dann am späten Abend einen englischsprechenden Übersetzer gestellt, der uns die Sachlage erklärt hat, und wir mussten, obwohl wir am Ende unserer Kräfte und Nerven waren, eigenhändig handschriftlich unsere Aussage zu Papier bringen. Uns wurde zwar versprochen, die Polizei würde uns anschließend in ein Hotel bringen, aber als sie unsere Unterschriften hatten, wurden wir um 11 Uhr nachts einfach vor die Tür gesetzt und gebeten, am nächsten Morgen wieder zu erscheinen.

Natürlich konnten wir die ganze Nacht nicht schlafen, dank dieser verstörenden Geschehnisse, wir mussten aber den ganzen Folgetag erneut bei der Polizei verbringen, wo mit Hilfe einer deutschen Übersetzerin noch einmal alles zu Protokoll gegeben werden musste. Diesmal waren allerdings alle erheblich freundlicher, da wir mit der Deutschen Botschaft gedroht hatten. Als man uns am Abend entlassen hat, wurden wir erneut gebeten, am nächsten Morgen wieder zu erscheinen.

Am dritten Tag konnten wir dann nach nur 2 Stunden gehen und haben sofort der Deutschen Botschaft, mit der wir schon telefoniert hatten, einen Besuch abgestattet, um uns zu beschweren und um uns über unsere Rechte und Möglichkeiten zu erkundigen. Leider sind die Rechte eines Touristen in einem solchen Polizeistaat nur sehr spärlich.

Letztendlich wurde uns dann zugestanden, dass wir unschuldig sind, wir wurden im Protokoll als Opfer benannt und die Polizei hat sich mehrmals entschuldigt. Unsere Pässe wurden aber dennoch konfisziert und wir wurden ausgewiesen, mit dem Hinweis, dass wir uns glücklich schätzen sollen, da normalerweise noch eine Geldstrafe von 1400 € pro Person verhängt wird und man ins Heimatland zurück geschickt wird (nicht wie wir nach Indien) mit einer Bannung von bis zu mehreren Jahren. Erst bei unserem Abflug haben wir unsere Pässe - mit einem dicken roten Deportationsstempel drin - von einem Polizisten zurückbekommen, der uns zu unserem Flug begleiten musste, um sicher zu stellen, dass wir auch wirklich dieses (gast)freundliche Land verlassen, in das wir garantiert nie wieder einreisen wollen.

Wir raten hiermit jedem Individualtouristen, sich eine Einreise nach Usbekistan gründlich zu überlegen und sich vorher ausgiebig über seine Rechte und Pflichten zu informieren, speziell in Hinsicht auf Registrierung. Es ist strengstens verboten, bei Einheimischen zu übernachten, insbesondere bei Couchsurfern, und man darf nur in speziell für Touristen vorgesehenen Hotels nächtigen. Auf Nummer Sicher geht man laut Botschaft mit Unterkünften, die man in Reiseführern findet. Speziell am Flughafen von Tashkent werden alle Papiere genauestens geprüft. Und auch wenn man meint, alles richtig gemacht zu haben, muss man auf böse Überraschungen gefasst sein.

Auf Nimmerwiedersehen, Usbekistan!

 

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